Fortsetzung vom Wissen...

Der Vorsitzende des Fördervereins, Reinhold Götz, begrüßte die Gäste mit dem Hinweis: „Ab dem neuen Schuljahr erhalten vier Schulen in der Neckarstadt-West aus dem Förderprogramm jeweils schulbezogene zusätzliche finanzielle Mittel. Wir als Förderverein sind mit dem derzeitigen Stand des Bundesprogramms der Brennpunktförderung nicht zufrieden.“ Das Fördergeld müsse das gesamte Netzwerk der Neckarstadt-West mitberücksichtigen und keine Alleingänge einzelner Schulen fördern. 
 Konrad Hummel, Stellvertretender Vorsitzender startete die Einführung des Referenten mit dem Satz „die Neckarstadt-West hat mehr verdient, wir spüren, dass nicht genug getan wird.“ Er sei vor längerer Zeit auf die Thesen Greffraths in seinem Podcast aufmerksam geworden und habe die Themen der Neckarstadt wiedererkannt.

 

Schulleistungen ein Problem der Migranten?

Der hinterfragende Blick hinter Entwicklungen und Historie ist Greffraths Stärke. Allen voran die Aussage Willy Brandts, „die Schule der Nation ist die Schule“, die aktuell schon fast ironisch klingt. Denn zirka ein Viertel der Grundschülerinnen  in Deutschland erfüllten nicht die Mindeststandards. Es fehlten 23.500 Lehrkräfte, und die Digitalisierung gehe nur schleppend voran. Von 400 Lehramts-Studierenden steigen 200 nach zwei bis drei Semestern aus, weitere 100 nach dem ersten Lehrjahr. 

„Und neuerdings, wenn über Schulleistungen geredet wird, schiebt man das auf die Migration“, so Greffrath, und da war er schon ziemlich drin im Schulleben der Neckarstadt-West. Denn Bildungsbenachteiligung sei ganz klar eine Frage des Geldbeutels und des Elternhauses, dem eine (r) entstammt. 

 

Lernst du was, dann bist du was?

Er bezog das auch auf das Allheilmittel „Digitalisierung“. Große Firmen böten für 28 Euro die Stunde eine digitale Lehrerstunde an. Bei all den Angeboten komme dann ein hübsches Sümmchen zusammen, das sich nicht jeder leisten kann. „Nein, die Bildungsforschung zeigt ganz klar: der Lernerfolg hängt stark an der emotionalen Bindung zwischen Lehrenden und Schüler*innen.“ Und „ordentlich Lernen“ allein garantiere noch keinen Erfolg: die Vorsprünge der Kinder aus wohlhabenden und sorgenden Elternhäusern seien nur schwer aufholbar. Schule müsse wieder stärker als sozialer Ort, als Gegenstruktur zum Beruf begriffen werden, und mit dem Anspruch, die Fragen der komplexen Welt aufzugreifen. Mit Thesen der 50erJahre von einem konservativen Soziologen Helmut Schelsky plädierte er für eine Schule, die „mitten im Stadtteil“ steht und sein soziales Leben prägt und aufnimmt. 

 

Schule, das wurde vor allem in den späteren Diskussionsbeiträgen deutlich, hängt an Menschen, „die sich so richtig reinhängen“. Das „Rendezvous mit der Globalisierung“, wo Schüler*innen lernen, was eine neue Hose mit der Fabrik in Bangladesh zu tun hat, ob diese Vermittlung in der Schule gelingt? Lernen müsse heißen, dass Kinder und Jugendliche gleichzeitig ihren Standort bestimmen können, ihre Heimat in der Welt.
 „Der Platz in der Welt“ ist übrigens auch der Markenkern von Campus.
 
 Viele Fragen blieben offen

Eine monatliche Quartierszusammenkunft, bei dem vier Schulen ihre Stimme erheben, wäre ein Ansatz, weil die Schulen und Einrichtungen mit ihren gemeinsamen Themen in die Mitte des Stadtteils gehören. Anderes blieb offen.
Wieviel Lehrplangehorsam sinnvoll ist? Wie die Aufwertung der Berufsschulen erfolgen kann? Wieviel Solidarität zwischen arm und reich existiert? Wie autonom Schulen sein sollten? Welche Ausbildung und Anerkennung Rektoren bräuchten? Wieviel Sprachförderung sein muss, weil ohne Deutsch auch Mathe nichts wird? Einig waren sich alle, dass es viele Ansätze gibt, die Strukturen jedoch schwer zu verändern sind. 

Deshalb blieb es beim Ungehorsam, beim Bild des Lehrers, der nicht nur in Lehrplänen denkt. Bei Lehrenden, die wieder mehr Autorität gegenüber Eltern vertreten. Auch die Frage der Ganztagsschule als Lösung war kurz Thema. Aber auch die Ganztagsschule – das beschrieb eine Schülerin – kann schlecht gemacht sein.